Krisenzeiten sind wie ein Brennglas für unsere Beziehungen. Sie verstärken, was ohnehin da ist – Nähe, aber auch Konflikte, Sehnsucht ebenso wie Enttäuschung. In meiner Arbeit als Paarberaterin erlebe ich immer wieder, wie Paare gerade dann aneinandergeraten, wenn sie sich eigentlich gegenseitig Halt geben wollen. Der Grund liegt oft in den Erwartungen, die wir aneinander und an uns selbst stellen. Erwartungen, die in stabilen Zeiten vielleicht erfüllbar waren, in der Krise jedoch ins Leere laufen.
Wir erwarten, dass der andere uns versteht, uns auffängt, uns stärkt. Gleichzeitig erwarten wir von uns selbst, dass wir funktionieren, dass wir positiv bleiben, dass wir nicht zur Last fallen. Doch Krisen verändern alles. Sie rauben Energie, sie verengen den Blick, sie lassen uns schneller gereizt oder verschlossen reagieren. Was früher selbstverständlich war – ein liebevolles Wort, ein offenes Ohr, ein gemeinsamer Abend – wird plötzlich zur Ausnahme. Und je mehr wir erwarten, desto größer wird die Enttäuschung, wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden.
Besonders tückisch sind die inneren Erwartungen, die wir oft gar nicht bewusst wahrnehmen. Der Anspruch, stark zu sein, keine Schwäche zu zeigen, alles im Griff zu haben – all das erzeugt Druck. Und dieser Druck macht es schwer, sich selbst mit Mitgefühl zu begegnen. Wer sich selbst keine Schwäche erlaubt, kann auch die des Partners kaum ertragen. So entsteht ein Klima, in dem Nähe zwar gewünscht, aber kaum möglich ist.
In solchen Momenten hilft es, innezuhalten. Nicht, um alles zu lösen, sondern um zu erkennen, was gerade wirklich wichtig ist. Krisen sind keine Prüfungen, die man bestehen muss. Sie sind Phasen, in denen wir lernen dürfen, menschlich zu sein – mit all unseren Widersprüchen, Sehnsüchten und Grenzen. Und manchmal ist es gerade das Anerkennen der eigenen Begrenztheit, das eine Beziehung wieder ins Gleichgewicht bringt.