
In meiner Arbeit als Paarberaterin begegnen mir immer wieder Familien, die unter einem Dach mit mehreren Generationen leben. Was nach Geborgenheit und gegenseitiger Unterstützung klingt, entpuppt sich im Alltag oft als komplexes Geflecht aus Erwartungen, Werten und unausgesprochenen Konflikten.
Ein Paar kommt zu mir in die Beratung. Sie leben mit ihren Kindern im Haus der Großeltern. Die Oma ist ein fester Bestandteil des Familienlebens, übernimmt liebevoll die Betreuung der Kinder und ist immer zur Stelle, wenn Hilfe gebraucht wird. Doch genau hier beginnt das Spannungsfeld. Die Erziehung der Kinder verläuft nicht so, wie es sich die Eltern wünschen. Während sie klare Regeln, Selbstständigkeit und Konsequenz vermitteln wollen, setzt die Großmutter auf Nachsicht, Verwöhnen und das, was „früher auch funktioniert hat“.
Die Mutter fühlt sich übergangen, wenn die Oma Entscheidungen trifft, ohne Rücksprache zu halten. Der Vater steht zwischen den Fronten – loyal gegenüber seiner Mutter, aber auch seiner Partnerin verpflichtet. Die Kinder spüren die unterschiedlichen Botschaften, reagieren mit Verwirrung oder nutzen die Uneinigkeit aus. Und die Paarbeziehung? Sie leidet still und schleichend.
Was als Unterstützung gedacht war, wird zur Belastung. Die Eltern beginnen, sich gegenseitig Vorwürfe zu machen. Die Kommunikation wird sachlich, die Nähe schwindet. Es fehlt an Raum für Intimität, für Gespräche, für das Paarsein. Stattdessen dominieren organisatorische Fragen, Erziehungsdiskussionen und das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen – gegenüber der Familie, dem Partner, sich selbst.
In der Beratung arbeiten wir gemeinsam daran, die eigenen Werte zu klären. Was ist mir wichtig in der Erziehung? Was wünsche ich mir von meinem Partner? Was erwarte ich von meiner Familie? Diese Fragen öffnen Türen. Sie schaffen Verständnis für die eigene Haltung und ermöglichen es, Grenzen zu setzen – liebevoll, aber klar.
Es geht nicht darum, die Großeltern auszugrenzen. Es geht darum, die Paarbeziehung zu schützen. Denn nur wenn das Fundament stabil ist, kann die Familie als Ganzes wachsen. Manchmal braucht es Mut, Dinge anzusprechen, die lange geschwiegen wurden. Manchmal braucht es den Blick von außen, um Muster zu erkennen und neue Wege zu gehen.
Und manchmal reicht ein ehrliches Gespräch, um wieder zueinander zu finden – als Eltern, als Partner, als Menschen, die gemeinsam leben und lieben wollen.