
In einer Partnerschaft teilen wir nicht nur Liebe und Nähe, sondern auch Alltag, Stress und Emotionen. Und manchmal – ganz ohne Vorwarnung – auch die schlechte Laune des anderen. Viele Menschen berichten in der Beratung, dass sie sich regelrecht „angesteckt“ fühlen, wenn ihr Partner gereizt oder abweisend ist. Es entsteht ein Gefühl von innerer Unruhe, manchmal sogar Wut oder Traurigkeit. Doch warum trifft uns das so stark?
Je enger die emotionale Bindung, desto durchlässiger sind wir für die Stimmung unseres Gegenübers. Wir spüren sofort, wenn etwas nicht stimmt – sei es durch einen genervten Tonfall, einen abwesenden Blick oder das Schweigen beim Abendessen. Unser Gehirn reagiert blitzschnell und oft unbewusst: Wir interpretieren, bewerten und beziehen die Laune des anderen auf uns selbst. Das kann verletzend sein, selbst wenn die schlechte Stimmung gar nichts mit uns zu tun hat.
Noch schwieriger wird es, wenn sich bestimmte Verhaltensweisen immer wiederholen. Kleine Angewohnheiten, die uns nerven – das ständige Tippen am Handy, das Ignorieren gemeinsamer Absprachen oder das laute Kauen beim Essen – wirken wie Tropfen auf einen ohnehin vollen emotionalen Eimer. Was oberflächlich wie eine Kleinigkeit erscheint, kann tiefere Bedürfnisse berühren: das Verlangen nach Respekt, nach Ordnung, nach Verbindung. In der Beratung zeigt sich oft, dass hinter dem Ärger über eine Angewohnheit ein Gefühl steckt, nicht gesehen oder nicht ernst genommen zu werden.
Die Sehnsucht nach Harmonie ist in vielen Beziehungen stark ausgeprägt. Wenn der Partner schlecht gelaunt ist, empfinden wir das als Störung dieser Harmonie. Wir fühlen uns abgelehnt, verunsichert oder sogar verantwortlich für die Stimmung des anderen. Das kann zu einem Teufelskreis führen: Einer ist gereizt, der andere reagiert empfindlich – und schon ist die Atmosphäre angespannt. Besonders belastend wird es, wenn die schlechte Laune nicht kommuniziert wird, sondern sich in Schweigen, Rückzug oder passiv-aggressivem Verhalten äußert. Dann entsteht nicht nur Frust, sondern auch emotionale Distanz.
Was hilft, ist ein bewusster Umgang mit diesen Dynamiken. Es geht darum, sich selbst besser wahrzunehmen und zu erkennen, was wirklich das eigene Gefühl ist – und was vom anderen kommt. Kommunikation spielt dabei eine zentrale Rolle. Statt zu interpretieren, lohnt es sich zu fragen: „Was brauchst du gerade?“ oder „Was beschäftigt dich?“ So entsteht Raum für Verständnis, statt für Missverständnisse. Auch das Setzen von Grenzen ist wichtig: Es ist völlig legitim zu sagen, dass man gerade nicht die Kraft hat, die schlechte Laune des anderen mitzutragen.
Und manchmal hilft auch ein Perspektivwechsel. Nicht jede Angewohnheit muss bekämpft werden. Manche Eigenheiten lassen sich mit einem liebevollen Blick und etwas Humor leichter ertragen. Beziehungen leben nicht von Perfektion, sondern von der Fähigkeit, einander mit all den Ecken und Kanten anzunehmen – und sich dabei selbst nicht zu verlieren. Wer lernt, zwischen Nähe und Abgrenzung zu balancieren, schafft eine Beziehung, in der beide wachsen dürfen – auch an den schwierigen Tagen.